Die Verhandlungen zwischen GDL und Bahn

Erstellt von Der Verhandlungsretter: Jede Verhandlung ein Gewinn am 04.11.2014

Eine kritische Betrachtung der völlig verfahrenen Verhandlungssituation durch den Verhandlungsretter

Die Tarifverhandlungen zwischen der Gewerkschaft der Lokführer und der Deutschen Bahn ziehen sich jetzt schon über Monate hin und in kürzer werdenden Abständen ruft die GDL zum Streik auf und nimmt so das ganze Land als Faustpfand (um nicht zu sagen Geisel) für ihre Forderungen.
Wobei schon die Frage erlaubt sein muss, ob es sich überhaupt noch um Tarifverhandlungen im eigentlichen Sinne handelt und nicht um einen Machtpoker, bei dem die Gewerkschaft mit allen Mitteln ihre Positionen durchsetzen will. Getrieben möglicherweise von Überlegungen des Gesetzgebers, die Macht von Spartengewerkschaften per Gesetz einzuhegen.
Bei allem, was nach außen dringt, hat sich die Tarifkommission der GDL in ihren statischen Positionen dauerhaft eingemauert. Wer seine Mitglieder so instrumentalisiert (mit möglicherweise sogar frisierten Abstimmungsergebnissen) muss liefern! Ein Zurückweichen ist nur noch unter Gesichtsverlust und möglicherweise auch dem Verlust von Mitgliedern möglich. Am Ende geht es vielleicht auch um den Vorstandsposten, auf den Herr Weselsky so erkennbar stolz ist.

Aus dem Handbuch verfahrener Verhandlungen
Ich bekomme den Eindruck, die GDL arbeitet in ihrer Verhandlungsstrategie des Alles oder Nichts ziemlich strikt alle Verhandlungstaktiken aus dem untersten Fach des Werkzeugkastens ab. Würden hier nicht nur Gewerkschaft und Arbeitgeber verhandeln, sondern Staaten oder Territorien, würde das unweigerlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen und die Folgen kann man aktuell in der Ukraine sehen.
Das wird für mich als erfahrenen Verhandlungsführer nachvollziehbar, wenn ich meine Überlegungen, dass es im Kern um Macht und Machterhalt und nicht um eine Lösung von Tarifauseinandersetzungen geht, ernst nehme. Die Interessen der Gegenseite spielen in diesem Szenario keine Rolle, ebenso wenig die Folgen für Dritte.

„Aber ich will“: das bockige Kind
Ein verbreitetes und leider bei deutlichem Machtgefälle oder ausreichender Persistenz einer Verhandlungspartei immer wieder erfolgreiches Verhandlungstool. Das Grundmuster ist die kindliche Forderung: „Papa, ich will zwei Kugeln Eis.“ Jeder Beschwichtigungsversuch, jedes kleine Zugeständnis wird hingenommen, ohne dass die Forderung auch nur ein Jota zurückgenommen wird.
Bei der GDL ist das Eis anscheinend gleich mehrfach vorhanden:
• die Vertretung anderer Berufsgruppen,
• abweichende Tarifverträge gegenüber der Konkurrenzgewerkschaft,
• Aufbau einer nachhaltigen Verhandlungsmacht
Es geht nur um 100 %, getreu dem Motto der Möwe aus dem Film Findet Nemo: „Meins, meins, meins.“
Verhandlungspunkte werden gleich zu Anfang als unverhandelbar dargestellt und dienen so immer wieder als Rückfallposition nach einer Annäherung. Zumindest glaubt man, dies der Öffentlichkeit so darstellen zu müssen. Übrigens: das „alternativlos“ unserer Politiker kommt aus derselben Quelle.

Die verlassene Braut
Noch ein Verhandlungstrick aus meiner Liste „Das dreckige Dutzend“. Eine sicher erscheinende Einigung wird im allerletzten Moment wieder abgesagt. So als ob einer der beiden Beteiligten vor dem Traualtar noch „nein“ sagt.
Der vor den Kopf gestoßene Verhandlungspartner – aktuell also die Bahn – ist erst Mal schockiert und betroffen und rennt dann dem Bräutigam hinterher, um ihm neue Zusagen zu machen.
Das ist ein Muster, das in Verhandlungen von Spartengewerkschaften mit Arbeitgebern gerne und mit viel Erfolg eingesetzt wird.

„Ich kann nicht anders“: wenn angeblich das Mandat fehlt
Auch das ist ein simpler Verhandlungstrick, der in den Verhandlungen zwischen GDL und Bahn bereits mehrfach zu beobachten war. Hier ist es dann das angebliche Votum der Mitglieder oder Vorgaben aus dem Vorstand oder Aufsichtsrat, die jede Flexibilität für die Verhandlung nehmen.
Da können sich nach meinem Eindruck beide Verhandlungsparteien an die Nase fassen.

Salamitaktik
Ein Klassiker erfolgreichen Feilschens. Eine Konzession der Gegenseite annehmen, möglicherweise sogar loben (Abendnachrichten). Natürlich ohne jemals selbst auch nur das geringste Entgegenkommen zu zeigen.
In diesen sogenannten Tarifverhandlungen ist es die Bahn, die nach jeder Machtdemonstration (Streik, Streikdrohung) Zugeständnisse macht ohne dass ich den Eindruck habe, dass es irgendwelche positiven Reaktionen seitens der Tarifkommission der GDL gibt. Mir stellt sich hier die Frage, warum die Bahn auf diesen simplen Trick immer wieder anspringt.

Worthülsen und Vernebelungen: Rechthaberei in medienwirksamer Verpackung
Das ist man von Tarifverhandlungen, genau wie aus der Politik ja gewohnt. Aktuell ist es die Worthülse „Grundrecht in Gefahr“. Als ob es darum wirklich geht. Das Rad das da gerade gedreht wird, ist wirklich atemberaubend groß.
Diese Worthülsen dienen dazu, jede Fantasterei zu rechtfertigen und werden gerne mit großer Larmoyanz vorgetragen. Weil man sich ja zu 100 % im Recht dünkt. Nachprüfbar für den Adressaten ist die Worthülse nur mit einigem Aufwand. So lassen sich wunderbar die eigentlichen Interessen und Hintergründe vernebeln.

Good Cop – Bad Cop
Nach allen Berichten, die ich in den Medien verfolgt habe, wird auch dieser Klassiker der unfairen Verhandlungstechniken eingesetzt.
Aktuell scheint es so, dass in „Geheimgesprächen“ – zwischen wem auch immer – eine deutliche Annäherung, bis hin zu einem unterschriftsreifen Vertragsentwurf, erzielt wurde. Kurz bevor es ernst wurde trat dann der Chef auf und machte mit lautem Getöse alles wieder zunichte.

Drohung und Sanktion
Wir kennen das von anderen Konflikten: „Wenn die Führung in Kiew nicht einlenkt, dann werden die Gaslieferungen unterbrochen“, „Wenn Israel nicht nachgibt, werden wir weiter mit Raketen schießen“,… Oder eben die Drohung mit immer größeren und längeren Streiks.
Das Fatale ist, dass die Drohung nur wirkt, wenn sie auch umgesetzt wird. So geht die Eskalation immer weiter.
Bei der GDL war man wohl der Meinung, die Drohung mit einem doppelt so langen Streik wie beim letzten Mal würde die Bahn so beeindrucken, dass sie einknickt. Nun muss man streiken und wir alle, unsere Volkswirtschaft und alle anderen Bahnmitarbeiter leiden darunter.

Wie sieht ein Ausweg aus?
Wenn eine Seite so hoch gepokert hat und so viel Porzellan zerschlagen ist, wird eine Annäherung ohne Mediator (Schlichter) sicher schwierig.
Wie soll die GDL-Führung erklären, wenn sie jetzt immer noch nicht zum Zuge kommt (ha, schönes Wortspiel) und einlenkt?
Und wie steht der Bahnvorstand da, wenn er nach wochenlangen Streiks, Millionenverlusten und dem Abwandern von Kunden doch noch auf die Forderungen der GDL eingeht?
Säße ich auf Seiten der Bahn, würde ich empfehlen, keine weiteren Zugeständnisse mehr zu machen, sondern im Gegenteil, alles auf Null zu stellen.
Auf Seiten der GDL würde ich mal hinterfragen, welche Interessen hier eigentlich verfolgt werden und das auch nach Außen ehrlich vertreten.

Und ganz persönlich:
Ich werde demnächst erstmals mit einem Fernbus reisen. Auf Bahnfahrten werde ich verzichten, auch weil ich nicht die nächste Eskalationsstufe am eigenen Leib erfahren möchte: Züge, die auf offener Strecke einfach geparkt werden, um den Druck noch weiter zu erhöhen.

Über Wolfgang Bönisch:
Verhandlung ist für Wolfgang Bönisch Profession und Passion. In mehr als 35 Jahren hat der Verhandlungsretter professionell so ziemlich alles verhandelt, das vorstellbar ist: Sein Leben, das Leben Anderer, millionenschwere Verträge, Konflikte, Beziehungen, Pönalen, …
Als Polizist, Verkäufer, Vertriebsdirektor, Geschäftsführer, Ghost-Negotiator.
Der Autor, Speaker, Trainer, Coach und Berater ist seit 13 Jahren Unternehmer.
Als gefragter Spezialist für schwierige Verhandlungen ist Bönisch immer am Puls der aktuellen Entwicklungen in Sachen Verhandlungsführung.
Vielen Tausend Seminarteilnehmern und Zuhörern seiner Vorträge in Deutschland und vielen anderen Ländern hat der Verhandlungsexperte bis heute neue Einsichten und Werkzeuge für noch erfolgreichere Verhandlungen vermittelt.
Er ist Autor der Bücher »Werkstatt für Verhandlungskunst«, »Grundlagen des Verhandlungserfolgs«, »Der Verhandlungsretter rät« und »The Art of Negotiation« und Autor und Sprecher des Audioseminars »Einfach erfolgreich verhandeln«. Wolfgang Bönisch bietet seine Trainings, Seminare und Vorträge in Deutsch und Englisch an.

Über W&H Bönisch GmbH - Der Verhandlungsretter:
Die W&H Bönisch GmbH wurde 2001 von Wolfgang und Heike Bönisch gegründet.
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