Indirekte Angriffe auf Partei, Staatsmacht, Sozialismus - „Der Brunnen“ von Erich-Günther Sasse jetzt auch als E-Book

4 E-Books von Erich-Günther Sasse

Indirekte Angriffe auf Partei, Staatsmacht, Sozialismus - „Der Brunnen“ von Erich-Günther Sasse jetzt auch als E-Book

Erstellt von EDITION digital - DER E-Book-Verlag am 27.03.2014

GODERN bei Schwerin - „Wallkau war ein Dorf von zweihundert Seelen, das im platten Land lag, ungefähr dort, wo die Saale in die Elbe fließt, dreißig Kilometer von der großen Stadt entfernt und gut zweihundert von Berlin.“ Mit diesen Worten beschrieb Autor Erich-Günther Sasse den Handlungsort seines erstmals 1980 im damaligen VEB Hinstorff Verlag Rostock erschienenen Buches „Der Brunnen“. Sein Buch über das Schicksal einer Großbauernfamilie löste damals höchst unterschiedliche Reaktionen aus – offiziell und inoffiziell. Was davon zutrifft, davon kann sich der heutige Leser ein eigenes Bild machen, denn der Dorf-, Familien- und Gesellschaftsroman aus dem letzten Jahrzehnt der DDR liegt jetzt, wie alle anderen Bücher Sasses, zum 70. Geburtstag seines Verfassers am 7. April bei EDITION digital als E-Book vor und kann unter www.ddrautoren.de, bei Weltbild, Apple und Amazon erworben werden.

Geradezu enthusiastisch hatte noch vor dem Erscheinen des Buches Schriftstellerkollege Joachim Nowotny über den „Brunnen“ in einer Rezension für die Akademie-Zeitschrift „Sinn und Form“ geschrieben: „Man ist nach der Lektüre des Manuskriptes geneigt auszurufen: Endlich wieder mal ein richtiger Roman! Endlich wieder mal ein Buch, das die Leute aufregen wird, weil sie es gelesen haben, aus eigenem Antrieb und mit wachsendem Interesse, nicht weil sie es sollten, sondern weil sie es wollten. Zwischen Autor und Leser steht keine besondere „Kunstfertigkeit“, Sasse fragt nicht danach, was modern ist, er schreibt sich etwas vom Herzen, und dieser Gestus wird anteilnehmend erkannt.“ Zudem lobte Nowotny die unbedingte Ehrlichkeit des Autors. Der Rezensent schloss sein Lob dieses „überzeugenden Stücks Prosa“ mit den Sätzen. „Vermutlich wird es empfindliche Leute geben, denen manches als nicht richtig gesehen erscheint. Man sollte sie daran erinnern, was schon in den fünfziger Jahren mit der Gestalt des alten Kraske aus dem „Tinko“ möglich war. Hier hatte schon einmal einer unsere Sympathie, dessen Zeit abgelaufen war. Seit dieser Zeit scheint mir einem Vertreter einer sterbenden Schicht, der nichtsdestotrotz unser Zeitgenosse, Beteiligter an den Kämpfen unserer Zeit, Bürger der DDR war, nicht mehr so viel Verständnis entgegengebracht worden zu sein, wie bei Sasse.“
Gewissermaßen logischerweise ganz anders fiel dagegen die Einschätzung eines IM-Experten aus, die er im Auftrage der damaligen Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Magdeburg vornahm. Grund für diese Überprüfung war, dass der Verfasser Erich-Günter Sasse „offensichtlich negativ-feindliche Positionen vertritt, die beim Leser antikommunistische Haltungen auslösen können.“ Laut der Stasi-Einschätzung ist die Fabel seines Romans autobiografisch angelegt und versucht zugleich, den Typ des historischen Gesellschaftsromans mit betont kritischer Position zu bewältigen. Dabei dürfte dem Autor der Romantyp Erwin Strittmatters („Der Wundertäter“) als eine Art Vorbild gegolten haben, so die Einschätzung. Die reale Geschichtlichkeit der Vorgänge sei auch bei Sasse weitgehend verzerrt und subjektivistisch dargestellt. Der Autor wende die Methode des indirekten Angriffs auf Partei, Staatsmacht, allgemeine Erziehung im Sozialismus an, insofern er die negativen, zum Teil gehässigen Reflexionen in die Haltungen von literarischen Figuren verlege. Ein hervorstechendes Gestaltungsmittel sei „das prononcierte Unsympathischmachen von Vertretern der Partei der Arbeiterklasse und der Staatsmacht“.
Gerade diese unterschiedlichen Bewertungen dürften das Buch von Sasse auch mehr als drei Jahrzehnte nach seinem erstmaligen Erscheinen zu einer spannenden Wiederbegegnung mit einem Stück DDR-Literatur und mit einem bestimmten Abschnitt deutscher Geschichte werden lassen, wirbt Verlegerin Gisela Pekrul für eine erneute Lektüre von „Brunnen – Roman einer Kindheit“, diesmal allerdings als E-Book. Ein Wiedersehen mit Wallkau lohne sich auf jeden Fall.
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